Eine Partei schafft sich ab

Die Linzer SPÖ ist mit Bürgermeister Luger wieder einmal nach rechts umgefallen. Die SPÖ Linz hat bei einer Pressekonferenz in Linz ein so genanntes „Sicherheitskonzept“ präsentiert. Darin enthalten ist auch eine von FPÖ und ÖVP schon länger gestellte Forderung nach Zivilkontrollen der Stadtwache im „Kampf gegen organisierte Bettelei“. NGOs wie die Bettellobby Oberösterreich und die Caritas Oberösterreich haben sich klar gegen diese weitere Verschärfung im Kampf gegen arme Menschen ausgesprochen, die kein einziges Problem lösen wird.

Mit dem rechten Kampfbegriff „organisiertes Betteln“ hat der „rote“ Luger wieder einmal unreflektiert die Politik von der FPÖ übernommen, mit der schlicht normales menschliches Handeln kriminalisiert wird. Strafen werden ausgestellt, weil zwei BettlerInnen beim gemeinsam jausnen beobachtet werden, oder weil sie gemeinsam von A nach B reisen. Mehr Beweise für die „Bettelmafia“, die da immer mitschwingt, haben weder Polizei noch Stadtwache und schon gar nicht FPÖ oder SPÖ bisher vorgelegt. Aber die Hetze des Boulevards reicht, um diese kleine Gruppe von Menschen weiter zu verfolgen und dafür Millionen von Euro auszugeben, die dann im Sozialbereich fehlen.

Offener Brief an den Bürgermeister wegen Stadtwache

Wir dokumentieren hier folgenden offenen Brief, entstanden aus einem Erlebnis mit der Stadtwache im Umgang mit einem Bettler auf der Landstraße. Es zeigt einmal mehr, wie dieses Organ von der Politik dazu benutzt wird, nicht erwünschte Personengruppen aus der Stadt zu verdrängen. Ob dies mit oder ohne gesetzlicher Grundlage geschieht, ist der Politik anscheinend egal. Die Grenzen sind jedenfalls – so die erlebte Praxis – eher schwimmend. Teilweise werden Gesetze geschaffen, um auf rechtlicher Basis zu agieren (zwei Novellen des oö. Polizeistrafgesetzes, div. Beschlüsse im Gemeinderat, siehe Chronologie), teilweise wird aber auch über das gesetzlich erlaubte Maß hinaus agiert. Auf alle Fälle sind „Sittenwächter“-Organe, wie die Stadtwache, einer liberalen, toleranten und offenen Gesellschaft unwürdig und wohl eher Ausdruck sozialer Verrohung.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

vergangenen Samstag habe ich erlebt wie Mitarbeiter des Linzer Ordnungsdienstes einen vor der Ursulinenkirche sitzenden Bettler ganz selbstverständlich aufforderten, seinen Reisepass vorzuweisen („Hallo, Passport!“). Einer zückte auch gleich Notizbuch und Stift – augenscheinlich, um die Daten aufzunehmen.

Dazu wäre festzuhalten, dass sich dieser Mann absolut nicht aggressiv oder sonst wie auffällig verhielt. Selbst ein Exekutivbeamter muss meines Wissens immer abwägen, ob die engen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung [1] gegeben sind. Wie kann es sein, dass der Ordnungsdienst in Linz anscheinend mehr Freiheiten genießt als unsere „echte“ Polizei?

Bislang nahm ich irrtümlich an, der Ordnungsdienst habe – abgesehen von Parkraumüberwachung vielleicht – keine Kompetenzen, die über jene eines gewöhnlichen Staatsbürgers hinausgingen. So wurde mir das als Linzer zumindest ursprünglich mal verkauft.

Wenn ich jetzt Leute frage, dann kennt sich keiner mehr aus: Stadtrat Wimmer behauptet auf meine Twitteranfrage, so eine Passkontrolle sei rechtens [2]; andere sagen, das gelte ausschließlich für illegale und aufdringliche Bettelei; andere wieder: es gelte neuerdings für jeden Bettler; dann heißt’s wieder, das sei zwar im neuen Oö. Polizeigesetz vorgesehen, dieses gelte aber erst ab Verlautbarung frühestens im Oktober. Und dann gibt’s noch die Ansicht, dass, egal was Linz beschließe, Passkontrollen immer ausschließlich der Exekutive vorbehalten seien…

Sehen Sie mein Problem?

Die Mitarbeiter des Ordnungsdienstes treten in einer Form auf, die jeden Beobachter verunsichert, welche Exekutivbefugnisse sie nun – auch gegenüber Nicht-Bettlern – haben, oder nicht. Und auf den Seiten der Stadt Linz gibt es dann zum Ordnungsdienst nur allgemeine Informationen [3], aber keinerlei konkrete Auflistung und Abgrenzung der Rechte und Pflichten. Als Bürger fühle ich mich hier völlig im unklaren gelassen.

Es geht da auch längst nicht mehr um die Bettler-Thematik. Ich finde es als Staatsbürger schlicht unerträglich, wenn in Linz fragwürdig geschulte Mitarbeiter einer GmbH (!) auf der Landstraße patrouillieren und hier öffentlich Reisepasskontrollen vornehmen dürfen.

Ich frage mich, was hat die Stadt Linz hier gestartet und wohin soll das führen? Ich hoffe, Sie wissen es besser als ich.

Mit freundlichen Grüßen

Hans Kirchmeyr

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[1] Identitätsfeststellung: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40154241/NOR40154241.html

[2] Stellungnahme Stadtrat Wimmer: https://twitter.com/dewi_linz/status/511172655538765824

[3] Ordnungsdienst-Homepage: https://www.linz.at/politik_verwaltung/54799.asp

Bettelantrag im Gemeinderat beschlossen: Der nächste Umfaller der SPÖ

Am Donnerstag, den 23.1.2014, hat der Linzer Gemeinderat eine Verschärfung der Bettelkontrollen beschlossen.

Was bei dieser Abstimmung im Linzer Gemeinderat genau herausgekommen ist und wie dieses Ergebnis betrachtet werden kann, darüber hat neben KP-Gemeinderätin Gerlinde Grünn auch Michael Schmida von der BürgerInneninitiative „Linz braucht keine Stadtwache“ im Infomagazin „Frozine“ auf Radio FRO Auskunft gegeben.

http://cba.fro.at/253450

Bettelantrag im Linzer Gemeinderat: BürgerInneninitiative kritisiert SPÖ scharf

Linz braucht nach wie vor keine Stadtwache! Abschaffen ist sinnvollste und sparsamste Lösung!

Am 23.1.2014 wird bei der Sitzung des Linzer Gemeinderates über einen Antrag aus dem Sicherheits- und Ordnungsausschuss abgestimmt, der wieder einmal das Betteln in der Stadt zum Thema hat. Der von SP, VP und FP im Ausschuss beschlossene Antrag sieht u.a. vor, künftig mehr Kontrollen gegenüber bettelnde Menschen durchzuführen. In Abstimmung mit dem städtischen Erhebungsdienst und der Polizei soll auch die Stadtwache für dieses Unterfangen herangezogen werden und noch intensiver als bislang BettlerInnen kontrollieren. Ziel ist es, das im oberösterreichischen Landtag beschlossene „Bettelverbotsgesetz“ restriktiver als bislang anzuwenden bzw. damit in abschreckender Wirkung bestimmte Menschen aus der Innenstadt zu vertreiben.

Der Antrag geht im Großen und Ganzen auf das Betreiben der FPÖ und einem im Gemeinderat angenommenen Fraktionsantrag dieser Partei zurück. Sowohl Wortwahl, aber auch zugrundeliegender Geist des Antrags, entsprechen den Vorstellungen der Rechtsaußen-Partei. So werden in dem Antrag Mutmaßungen und Unterstellungen ohne seriösem Beweis zur Realität erklärt. Anstatt die grundsätzliche Annahme es gäbe kriminelle Hinterleute (im FP-Jargon: „Bettelmafia“ oder „Bettelbanden“) zu hinterfragen bzw. einer Überprüfung zu unterziehen, wird diese Unterstellung als gegeben angenommen und zum Ausgangspunkt der im Antrag geforderten Maßnahmen gemacht.

Die SPÖ ist damit ein weiteres Mal umgefallen und setzt ihre unrühmliche Rolle als Mehrheitsbeschafferin für untragbare Ansinnen aus dem rechtsextremen Lager fort. Anstatt der FPÖ in der als „Kriminalitätbekämpfung“ getarnten Menschenhetze entgegenzutreten und ihr die Stirn zu bieten, werden grundlegende Menschenrechte bzw. zivilisierte Formen im Umgang mit urbanen Herausforderungen der Machtpolitik geopfert. Als äußerst befremdlich ist außerdem, dass die höchste Beamtin aus der Sozialverwaltung mit der Bearbeitung des Antrags beauftragt wurde. Das ist kein gutes Zeichen für die Zukunft, wenn die SPÖ anscheinend Sozialpolitik als Ausgrenzungs- und Repressionspolitik versteht! Damit hat leider auch Bürgermeister Luger (SP) gezeigt, dass er von der Linie seines Vorgängers bezüglich Stadtwache nicht abweichen will. Im Gegenteil: Während Alt-Bürgermeister Dobusch Zivilkontrollen durch die Stadtwache im Frühjahr letzten Jahres noch untersagt hatte, werden sie nun durch die Hintertür in Form des städtischen Erhebungsdienstes eingeführt.

Für die BI „Linz braucht keine Stadtwache“ bedeutete dies einmal mehr die sofortige Abschaffung der Stadtwache zu fordern. Kaum jemand versteht, wenn auf der einen Seite die Stadt sparen muss und sinnvolle Ausgaben etwa in soziale Leistungen oder der Kultur gekürzt werden, aber sich auf der anderen Seite eine 1,3 Millionen Euro teure Stadtwache leisten kann. Der zuständige Stadtrat Wimmer (FP) versucht verzweifelt sein „Spielzeug“ angesichts des Sparkurses der Stadt retten zu wollen. Dafür müssen Menschen herhalten und werden zu Sündenböcken gemacht. Wir fordern das Ende einer solchen einseitigen „Law&Order“-Politik aus dem rechten Eck und die Rückkehr zu einem sachlichen und vom Prinzip der Menschlichkeit getragenen Vorgehen, vor allem auch von der Mehrheitsfraktion SPÖ!

Stadtwache Linz schikaniert Bettler – und die Polizei spielt mit!

Nachtrag zum Bettelverbot und der Bestätigung durch den VfGH: Die Zeitung der KUPF OÖ berichtet in der Rubrik „Gnackwatschn“ über einen skandalösen Zwischenfall in Linz:

Am 10. Juli wurden zwei rumänische Jugendliche am Linzer Schillerplatz von der Stadtwache angehalten. Der eine, Mihai, 14 Jahre alt und der andere, Bobi, gerade einmal 18. Ihr Vergehen: Sie haben gebettelt. Nicht aggressiv, sondern ruhig und höflich. Da Mihai aber minderjährig ist, wurde dem 18-jähigen Bobi vorgeworfen, beim Betteln „eine unmündige Person mitgeführt“ zu haben. Etwas, das nach der Bettelverordnung des Landes Oberösterreich (angeblich) verboten ist.
Die „Organe des Ordnungsdienstes“ nahmen den beiden Jugendlichen ihre Barschaft ab und tätigten einen Anruf bei der Bundespolizeidirektion. Diese verfasste nach den Angaben der Stadtwächter (ohne eigene Prüfung) eine Strafverfügung und schickte einen Beamten damit los, um sie dem straffällig gewordenen 18-jährigen auszuhändigen. 100 Euro oder 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe. Dass Bobi kein Wort Deutsch spricht und gar nicht weiß wie ihm geschieht, stört nicht.
Der ganze Ablauf dauerte nicht länger als 40 Minuten. Sehr effizient, nur wurde übersehen, dass es eine völlige Fehlentscheidung war. Im Oberösterreichischen Polizeistrafgesetz heißt es nämlich: „Wer in aufdringlicher oder aggressiver Weise, wie durch Anfassen oder unaufgefordertes Begleiten oder Beschimpfen, um Geld oder geldwerte Sachen an einem öffentlichen Ort bettelt (…) begeht eine Verwaltungsübertretung.“ (§1a. Abs.1).
Es ist also nur „aggressives“ Betteln verboten. Das Recht auf Betteln ist durch die europäische Menschenrechtskonvention geschützt (Artikel 8). Dies stellte auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Entscheid vom 30. 6. 2012 klar.
Konkret wurde Bobi ein Verstoß gegen § 1a Abs.3 vorgeworfen: „Wer eine unmündige minderjährige Person beim Betteln im Sinn des Abs. 1, in welcher Form auch immer, mitführt, begeht eine Verwaltungsübertretung.“
Ergo: Das Mitführen „unmündiger, minderjähriger Personen“ ist nur dann verboten, wenn so gebettelt wird wie in Absatz 1 beschrieben – also mittels anfassen, beschimpfen usw.
Das hätte Bobi in einem Einspruch vorbringen können. Wenn er des Deutschen mächtig gewesen wäre und Zugang zu Rechtstexten gehabt hätte. Er wählte aber die für ihn einzig mögliche Variante, sich der Strafe zu entziehen – er tauchte unter.
Natürlich gehört dieses Bettelverbot zur Gänze weg, und natürlich gehören alle Verantwortlichen, von Stadtrat Wimmer bis Bürgermeister Dobusch, durch Sonne und Mond gewatscht. Aber bis es soweit ist, sollten die bestehenden Einspruchsmöglichkeiten genutzt werden. Dem Vernehmen nach schreiben die Leute von Radio FRO (Kirchengasse 4) für Betroffene gerne Einsprüche.