Auch Salzburg braucht keine Stadtwache!

In der Stadt Salzburg sind am 10. März Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen. Im Wahlkampf werden auch dort nun wieder populistische Forderungen nach Law&Order und dementsprechenden „Sicherheits“-Organen laut. Die dortige FPÖ will eine Stadtwache wie in Linz. Hoffentlich macht die Salzburger Stadtpolitik nicht denselben Fehler und der FPÖ die Stadtwache zum Geschenk wie damals 2010 in Linz. Zum Vergleich: Der Salzburger Erhebungsdienst kostet der Stadt jährlich ca. 400.000 Euro im Jahr. Für den Linzer Ordnungsdienst sind für die Jahre 2024 und 2025 im Doppelbudget insgesamt 4,1 Millionen Euro vorgesehen. Siehe Artikel in den Salzburger Nachrichten (SN plus).

Artikel in den SN (SN plus)

Anmerkung: Dass es zu wenigen Meldungen kommt, ist auch ein Verdienst der Kritik an der Stadtwache. Außerdem sind die Wintermonate immer die „ruhigeren“ Monate mit weniger Ordnungsdienst-Aktivitäten. Darüber hinaus ändert das nichts an unserer grundsätzlichen Kritik und an der Forderung das Geld besser in präventive Sozial- und Gemeinwesenarbeit mit entsprechenden Infrastrukturen zu investieren. Leider wurde das im SN-Artikel nicht berichtet.

Neue Uniformen und neuer Sicherheitsstadtrat, aber immer noch überflüssig!

Die Stadtwache bekommt neue – passend zur politischen Ausrichtung – blaue Uniformen!
Dazu Mario Gubesch, der Chef der Linzer Stadtwache: „Die Mitarbeiter haben sich immer beschwert, dass man in den roten Uniformen so dick ausschaut. Zudem ist die Signalfarbe Rot gerade in Konfliktsituationen wenig hilfreich.“ Außerdem stimmt jetzt auch die Kopfbedeckung zu unserem Logo…

Am 7.3.2019 wird Michael Raml (FP) im Linzer Gemeinderat als neuer Stadtrat und künftiger Sicherheitsreferent angelobt. Er löst in dieser Funktion Detlef Wimmer (auch FP) ab.

Das Lieblingsspielzeug der Law&Order-Politik in Linz hat damit eine neue Uniform und einen neuen politischen Verantwortlichen. An der Geldverschwendung und Sinnlosigkeit ändert sich aber nichts.

Bedenklicher FPÖ-Politiker soll Chef der Stadtwache werden

Wie die Stadtkommunikation heute bekanntgab, soll ab Februar 2017 Mario Gubesch die Leitung der Linzer Stadtwache (aka Ordnungsdienst) übernehmen. Mario Gubesch ist ein Bekannter von FP-Sicherheitsstadtrat Detlef Wimmer. Er kommt aus Bad Hall, ist dort FP-Stadtparteiobmann und war längere Zeit beim Bundesheer, bevor er Mitarbeiter Wimmers wurde. Der designierte Chef der Linzer Stadtwache kommentierte in einem Posting die Tatsache, dass ein Hausbesitzer einem Einbrecher in den Kopf geschossen hat, mit den Worten: „eine Waffe im Haus ist besser als jede Alarmanlage und zudem um ein Vielfaches günstiger!“. Außerdem gefallen ihm auch so manche Aussagen der „Pegida“.

KPÖ und Grüne lehnen Zivilkontrollen durch Stadtwache ab

Presseaussendungen der KPÖ und Die Grünen Linz zum Versuch Zivilkontrollen durch die Linzer Stadtwache ohne demokratische Mehrheiten durchzusetzen.

KPÖ:

Entschieden abgelehnt werden von der Linzer KPÖ die Bestrebungen von FPÖ-Vizebürgermeister Detlef Wimmer nach Zivilkontrollen der Linzer Stadtwache. KPÖ-Gemeinderätin Gerlinde Grünn appelliert an Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) die Weisung seines Vorgängers Franz Dobusch, solche Zivilkontrollen nicht zuzulassen, aufrechtzuerhalten und nicht dem Law-and-Order-Drang der FPÖ nachzugeben.

In ihrem Sicherheitswahn genügt es der FPÖ offensichtlich nicht, gestützt auf das auch mit Zustimmung von ÖVP und SPÖ beschlossene sektorale Bettelverbot, Jagd auf Armutsreisende zu machen, sie will durch den Einsatz der Stadtwache im Zivil die Bespitzelung unerwünschter Personen sogar noch weiter verschärfen: „Was die FPÖ als Sicherheit verkauft läuft in Wirklichkeit auf immer schärfere Überwachung hinaus und erzeugt im Endeffekt das Gegenteil, nämlich verstärkte Verunsicherung“, so Gemeinderätin Grünn.

Nachdem es im zuständigen Ausschuss keine Mehrheit für Wimmers Wunsch gab drückte dieser im Aufsichtsrat der Stadtwache-Gesellschaft OSL einen Beschluss durch. Nun liegt es allerdings am Bürgermeister, ob er eine diesbezügliche Weisung gibt oder die Entscheidung seines Vorgängers aufrechterhält. Die KPÖ bekräftigt in diesem Zusammenhang ihre grundsätzliche Ablehnung der seit 2010 existierenden Stadtwache, für welche laut Voranschlag 2017 heuer satte 1,36 Millionen Euro Steuergeld verschwendet werden und fordert die Auflösung dieser Truppe.

„Grundsätzlich ist festzuhalten, dass wirkliche Sicherheit nicht durch dubiose Einrichtungen wie eine Stadtwache gewährleistet wird, sondern durch eine Politik, die soziale Anliegen in den Mittelpunkt stellt und der wachsenden Verunsicherung der Gesellschaft entgegenwirkt“ so Grünn. Die KPÖ ist daher der Meinung, dass die Kosten für die Stadtwache von mehr als einer Million Euro in anderen Bereichen der Linzer Stadtpolitik weitaus sinnvoller und effektiver eingesetzt werden kann.

Die Grünen:

Obwohl es politisch keine Mehrheit gibt, will der für Sicherheit zuständige FPÖ-Vizebürgermeister Detlef Wimmer Zivilkontrollen der Stadtwache gegen BettlerInnen durchsetzen. Dabei scheut der Linzer FPÖ-Chef auch vor fragwürdigen Tricks nicht zurück und versucht demokratisch gewählte Gremien auszuhebeln.

Konkret will Wimmer mit Hilfe des Aufsichtsrates die Kontrollen der Stadtwache ohne Dienstkleidung ermöglichen. Bei der Gemeinderatssitzung im Jänner war mehrheitlich beschlossen worden, dass der Vorschlag der Freiheitlichen im Sicherheitsausschuss weiter geprüft wird. Das ist geschehen, die Abstimmung, ob die Stadtwache künftig in Zivil BettlerInnen kontrolliert, endete mit vier Ja- und vier Nein-Stimmen. Somit gibt es keine politische Mehrheit. Die saubere weitere Vorgehensweise wäre, dass der Antrag zur Enderledigung noch einmal in den Gemeinderat kommt. Stattdessen hat Wimmer den zuständigen Aufsichtsrat befasst.

Dort gab es Medienberichten zufolge dank der EigentümervertreterInnen einen Beschluss. Dieser lautet, dass die Geschäftsführung des Ordnungsdienstes mit dem Bürgermeister redet, wie Überprüfungen der Stadtwache ohne Uniform umgesetzt werden können. Da es Wimmer auf dem formal korrekten Weg nicht gelingt, eine Mehrheit für seinen Vorschlag zu finden, versucht der Vizebürgermeister nun seinen Wunsch durch die Hintertür durchzusetzen und dabei demokratisch gewählte Gremien auszuhebeln. Sogar der Bürgermeister bestätigt, dass der Linzer FPÖ-Chef mit seiner Vorgangsweise in einer rechtlichen Grauzone unterwegs ist. Generell ist die freiheitliche Forderung absurd, da die Zahl der BettlerInnen in Linz rückläufig ist.

Nun liegt es also an Stadtchef Klaus Luger, ob der Ordnungsdienst künftig in Zivil unterwegs sein darf. Ich erwarte mir, dass der Bürgermeister bei seiner medial angekündigten Haltung bleibt, gegen eine neuerliche Kompetenzerweiterung der Stadtwache zu sein und nicht erneut in Richtung FPÖ umfällt.

Rohe Bürgerlichkeit und soziale Vereisung

Betrachtungen zum Gemeinderatsantrag für einen Zivileinsatz der Linzer Stadtwache gegen BettlerInnen

Seit 2001 untersuchen WissenschaftlerInnen aus Deutschland in einer Langzeitstudie mit dem Namen Deutsche Zustände die Ausmaße, Entwicklungen und Ursachen von Vorurteilen. Das Ergebnis ihrer Forschung sehen sie in einer bedenklichen Zunahme „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ und in einem „kulturlosen und verrohenden Bürgertum“.

Auszug aus dem Dringlichkeitsantrag der ÖVP bei der Gemeinderatssitzung am 23.5.2013

Auszug aus dem Dringlichkeitsantrag der ÖVP bei der Gemeinderatssitzung am 23.5.2013


Der Dringlichkeitsantrag der ÖVP bei der Linzer Gemeinderatssitzung am 23.Mai 2013 hat diese Analyse leider einmal mehr bestätigt. Die Linzer Schwarzen forderten Bürgermeister Dobusch auf seine Weisung zurückzunehmen und Stadtwache-Operationen ohne Uniform wieder zu erlauben. (siehe Faksimile rechts) Zielgruppe dieser Zivilkontrollen sollten die BettlerInnen vornehmlich aus Südosteuropa sein. Der Linzer Gemeinderat lehnte die Forderung der ÖVP jedoch mit einer Mehrheit aus SPÖ, Grüne und KPÖ ab. Die SPÖ argumentierte damit, dass es nie einen Auftrag für Observationen in Zivil gegeben hat und die Uniformen einen festen Bestandteil der Stadtwsche darstellen. Grüne und KPÖ sind ohnehin gegen die Stadtwache, ihre Ablehnung war deshalb vorhersehbar.

Populistischer Wettlauf mit der FPÖ

Bezeichnend an solchen Debatten, die sich um das Thema Kriminalität, Innere Sicherheit und Migration drehen, ist die Rolle der Linzer Stadtbürgerlichen. Seit der letzten Gemeinderatswahl im Jahr 2009 findet anscheinend eine Auseinandersetzung mit der Rechtsaußenpartei FPÖ um die Themenführerschaft auf diesem Gebiet statt. Die Argumentationsmuster und Statements unterscheiden sich kaum mehr. Es findet ein erschreckender Populismus-Wettstreit zwischen den beiden Parteien statt. Wer versucht dieser autoritären Mischung aus Kontrollieren, Vertreiben und Strafen mit kritischen Argumenten zu begegnen, bekommt von FPÖ wie auch ÖVP nur aggressive Selbstgewissheit zu spüren. Nach dem Motto: Je kühler und unmenschlicher die Forderungen, umso forscher und herablassender das Eintreten. Eine rationale, sachliche Diskussion auch über die negativen Folgen einer solchen Sichtweise geht im emotionalen Eifer unter – so geschehen auch bei der Gemeinderatssitzung am 23. Mai.

Ruf nach repressiven Maßnahmen

Die Konstruktion von Feind- und Drohbildern spielt dabei eine bedeutende Rolle. Menschen aus Süd- und Osteuropa, die hier betteln, sind nicht in erster Linie arm, sondern entweder sie selbst oder die „Hintermänner“ kriminell. Sie werden als „skrupellos“ und „organisiert“ etikettiert. Die Medien unterstützen und reproduzieren diese Bilder. Die Beifügung „Bande“ oder „Mafia“ gehört auch in den Zeitungen zur Normalität. Journalistische Sorgfaltspflicht und Verantwortung, z.B. Behauptungen und Meinungen zu überprüfen und differenzierter zu betrachten, haben keine Chance. Ist ein bestimmtes Bild einmal gezeichnet, fordern Medien dann meist genauso wie die „Law and Order“-Politik Taten. Eine ängstliche Öffentlichkeit will, dass hier und jetzt etwas geschieht. Die Konsequenz daraus: Es darf und kann kein Erbarmen für bestimmte Menschengruppen geben. Und jedeR der/die sich dieser Politik in den Weg stellt, will Böses für die Menschen bzw. zumindest für die Mehrheit, in deren Namen sich in Parteien und Redaktionen gesorgt wird. Genau so funktionieren aber auch moderne Faschismen: In der emotionalen Spaltung und Gegeneinanderführung werden die Ärmsten, Schwächsten und Fremdesten zur Bedrohung hochstilisiert, während eine solche Form der Herrschaft im Namen der „Guten“ aus dem „einfachen Volk“ spricht. Wer da nicht mitmacht und kritische Fragen stellt, ist gegen „das Volk“, für Kriminalität oder lässt sie zumindest zu – ist also tatenlos, naiv und schwach.

Zerstörerische Wirkungen für eine humane und tolerante Gesellschaft

Die MacherInnen der Studie „Deutsche Zustände“ stellen fest, dass vor allem die mittleren bis höheren Schichten der Gesellschaft in Zeiten der Verunsicherung die Solidarität mit den unteren Klassen aufkündigen und auf Ellbogenmentalität umschalten; dass also die bisherige tolerante Bürgerlichkeit durch eine „rohe“ ersetzt wird:

„Diese rohe Bürgerlichkeit lässt sich in ihrer Selbstgewissheit nicht stören: Die Würde bestimmter Menschen und die Gleichwertigkeit von Gruppen sind antastbar.“

Und sie kommen zum besorgniserregenden Schluss:

„Eine auf längere Sicht zerstörerische Entwicklung sowohl für Individuen als auch für eine liberale und humane Gesellschaft ist dann gegeben, wenn sich menschenfeindliche Einstellungen und Verhaltensweisen zeigen [ … ] Menschenfeindlichkeit wird erkennbar in der Betonung von Ungleichwertigkeit und der Verletzung von Integrität.“

Kultur der Solidarität statt der Kontrolle

Die populistischen Forderungen nach mehr Kontrolle und die Betonung der Ungleichheit findet vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Individualisierung der Gesellschaft statt. Der Kriminalitäts- und Sicherheitsdiskurs zeigt anschaulich diese Entwicklung, in dem sowohl die Beschreibungen und Erklärungen der Opfer- als auch die der Täterseite individualisiert werden. Bei den Tätern wird nicht nach den möglichen Ursachen noch nach Möglichkeiten einer Beseitigung oder Veränderung gefragt, sondern Kriminalität wird allein zur individuellen Entscheidung für das Unrecht und gegen das Recht erklärt. Aber auch die Identifizierung mit dem Opfer und die Forderung nach harten Vergeltungs- und Strafmaßnahmen folgt einer weitgehend individualisierten Sicht. Solidarität, Austausch und kollektive moralische Empörung funktionieren in einer hochgradig mobilen, individualisierten und entsolidarisierten Gesellschaft viel zu oft nur mehr über die individuelle Identifikation mit individuellen Schicksalen. Das Leiden des Kriminalitätsopfers steht sinnbildlich dafür. Die instrumentalisierenden und inhumanen Diskurse der Rechten und zum Großteil auch der Medien stellen zumindest das Gefühl der Gemeinsamkeit auf Kosten der Freiheit, Solidarität und Menschenrechte wieder her. Diese für Gesellschaften elementaren Werte hingegen zu schützen und zu verteidigen, sowie Möglichkeiten einer gemeinsamen, wechselseitigen und menschenwürdigen Kommunikation über den emotionalen Affekt hinaus zu schaffen, ist die andere – unsere – Antwort.